Antworten von Niels Starke wurden am 19.01.24 nachgereicht.
1. Frage: Inwieweit könnten Sie sich vorstellen, sich für ein Mobilfunkvorsorgekonzept hier in Mühltal einzusetzen?
Hintergrund: Hochfrequente elektromagnetische Strahlung ist von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) seit 2011 als "möglicherweise krebserregend für den Menschen" eingestuft. Aufgrund neuerer Studienergebnisse, die diesen Verdacht erhärten, empfiehlt die IARC dringend eine Neubewertung.
Eine Haftung für Schäden durch Mobilfunk trägt der Grundstückseigentümer, auf dem eine Sendeanlage steht. Die Risiken sind nicht versicherbar.
Antworten zur Frage 1:
Linda Frey: Ein Konzept über mögliche Standorte von Mobilfunkmasten fände ich sehr begrüßenswert. Allerdings stehen aktuell viele andere Projekte (vor allem Pflichtaufgaben) an, die auch angegangen werden müssen. Daher wird ein solches Konzept voraussichtlich nicht von der Gemeindeverwaltung beauftragt werden können.
Willi Muth: Es gibt immer wieder Neubewertungen zu diesem Thema. Der eine Wissenschaftler ist für den zukunftsweisenden Ausbau, der andere Wissenschaftler spricht sich dagegen aus. Ich verstehe Ihr Anliegen, ich verstehe auch, dass es Menschen gibt, die unter der elektromagnetischen Strahlung leiden. Es wird schwer werden, bei unseren politischen Mehrheiten hier kurzfristig Änderungen herbei zu führen.
Mir fehlt bis heute ein belastbare Rechtsprechung zu diesem Thema, um hier eine rechtssichere Antwort geben zu können.
Niels Starke: Es ist sicher verständlich, dass aktuell viele Projekte, insbesondere Pflichtaufgaben, Vorrang haben und die Gemeindeverwaltung daher voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, ein solches Konzept zu beauftragen. Die verschiedenen Standpunkte zu diesem Thema, von den wissenschaftlichen Neubewertungen bis hin zu fehlender belastbarer Rechtsprechung, sind mir bewusst. Als Bürgermeister wäre es meine Verantwortung, die vielfältigen Anliegen der Bürger ernst zu nehmen und Lösungen zu suchen, die sowohl zeitgemäße Mobilfunknutzung als auch angemessene Risikovorsorge berücksichtigen.A
Christoph Zwickler: Als Bürgermeister müsste ich sowohl diejenigen ernst nehmen, die unter „Mobilfunkvorsorge“ eine zeitgemäße Verfügbarkeit von Mobilfunk verstehen, wie auch diejenigen, die damit eine angemessene Risikovorsorge meinen. Das heißt, dass ich offen sein müsste für all das, was im Ergebnis von denjenigen gewollt wird, die zeitgemäßen Mobilfunk wollen. Ebenso müsste ich offen sein für diejenigen, die in menschengemachter Mobilfunkstrahlung unnatürliche Risiken sehen.
Bei allem kommt es nicht darauf an, welche Auffassung ich selbst vertrete, sondern darauf, was den Menschen wichtig ist. Indes fühlte ich mich als Bürgermeister gleichwohl verantwortlich, um Schaden von der hiesigen Bevölkerung abzuwenden.
Diejenigen, denen es um zeitgemäßen Mobilfunk geht, sind nicht strahlungssüchtig, sondern sie möchten bestimmte Ergebnisse sehen. Diese Ergebnisse werden oft durch den Gebrauch elektromagnetischer Strahlung erreicht. Insofern ist zu fragen, ob diese Ergebnisse auch ohne Gebrauch dieser Strahlung erzielbar sind. Der Gebrauch von Glasfaserkabeln ist ein prominentes Beispiel dafür, dass es auch ohne künstliche Strahlung gehen kann. Die Zusammenlegung von Mobilfunknetzen ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Ergebnisse, die als zeitgemäß gewünscht werden, auch mit weniger Strahlung möglich sind. Es geht also in erster Linie um die Interessen dieser Menschen, die bestimmte Ergebnisse im Auge haben, die sich aus elektronischer Kommunikation ergeben. Es geht ihnen nicht primär um Strahlung.
Denjenigen, die in starker künstlicher elektromagnetischer Strahlung gesundheitliche Risiken sehen, geht es nicht darum, anderen die von diesen gewünschte oder als notwendig erachtete elektronische Kommunikation zu verbieten. Es geht ihnen darum, nicht größerer künstlicher Strahlung ausgesetzt zu sein, der sie sich nicht entziehen können.
Ein Bürgermeister sollte offen für beide genannten Interessen bzw. Sorgen sein. Idealerweise setzt er sich mit unterschiedlichen Menschen an einen Tisch, an dem sowohl die Interessen der einen wie auch die Sorgen der anderen zur Sprache kommen. Möglicherweise kann sowohl den Interessen der einen wie auch den Sorgen der anderen entsprochen werden. Und wenn dadurch auch nur echtes Verständnis für die Situation der jeweils anderen Seite geschaffen wird, so wäre auch schon ein großer Schritt gegangen. Die Mauern zwischen den Menschen dürfen nicht noch höher werden.
Ob eine Befassung mit den verschiedenen Interessen bzw. Sorgen nun „Runder Tisch“, „Mobilfunkausblickgespräche“ oder „Mobilfunkvorsorgekonzept“ genannt wird, sollte keine Rolle spielen. Am Besprechungstisch eines Bürgermeisters sollte alles diskutiert werden bzw. diskutiert werden können, was die Menschen vor Ort bewegt.
2. Frage: Inwieweit können Sie sich vorstellen, Beratung unserer Bürgerinitiative zu Mobilfunkthemen und gesundheitsverträglicher Digitalisierung in Anspruch zu nehmen?
Hintergrund: Als Bürgerinitiative für ein Strahlungsarmes Mühltal beraten wir gerne kostenfrei die Gemeinde Mühltal und Privatpersonen zu Mobilfunkthemen. Als Bürgermeister wären für Sie vor alle Themen wie Haftung für Schäden durch Mobilfunk oder baurechtliche Fragestellungen und Immissionsschutz relevant.
Antworten zur Frage 2:
Linda Frey: Ja, denn unser Austausch hat trotz möglicher verschiedenen Grundansichten auch schon zu konstruktivem Input geführt. Ich bin daher immer offen für Information und Kommunikation.
Willi Muth: Zur Frage der Haftung habe ich schon Stellung genommen. Zur Frage des Baurechts stellen sich weitere Fragen, hier gibt es einen Staatsvertrag zur Versorgung der Länder mit Mobilfunktechnik. Das Baurecht beschließt nicht der Bürgermeister, sondern eine Vorlage aus der Verwaltung muss auch vom Gemeindevorstand beschlossen werden. Ein weiterer Weg ist, einen Antrag über eine Fraktion für die Gemeindevertretersitzung zur Beschlussfassung auf den Weg zu bringen. Hier wird politisch im Ausschuss zu dem Antrag diskutiert und es gibt eine Empfehlung für eine Zustimmung oder eine Ablehnung zur letztendlichen Beschlussfassung in der Gemeindevertretung. Dieser Beschluss ist bindend zur Umsetzung, es sein denn, der Beschluss widerspricht geltendem Recht.
Niels Starke: Ich stehe für einen offenen Dialog, bei dem sowohl die Interessen derjenigen, die eine zeitgemäße Verfügbarkeit von Mobilfunk wünschen, als auch die Sorgen derjenigen, die gesundheitliche Risiken befürchten, respektiert werden. Ein konstruktiver Austausch, sei es am "Runder Tisch", oder in ein anderes Gesprächsformat ist meiner Meinung nach entscheidend, um die verschiedenen Perspektiven zu verstehen und gemeinsame Lösungen zu finden.
Christoph Zwickler: Den Besprechungstisch eines Bürgermeisters suchen viele Lobbyisten auf, die die Gemeinde für ihre Ziele werben wollen. Ein Bürgermeister sollte dafür ebenso offen sein wie er auch kritisch abwägen muss. Als „Meister der Bürger“ wäre es mir sogar wichtiger, lokale Initiativen, die sich aus der Bürgerschaft heraus gebildet haben und die keine finanziellen Interessen verfolgen, zu empfangen als andere Interessenvertreter. Für Gespräche mit Bürgerinitiativen wäre ich also naturgemäß offen. Das heißt natürlich, dass ich auch all das, was die Initiativen vorbringen, sorgsam abzuwägen und einzuordnen habe.
3. Frage: Wie würden Sie sich für den Schutz elektrosensibler Menschen hier in Mühltal einsetzen?
Antworten zur Frage 3:
Linda Frey: Ich bin offen für den Dialog.
Willi Muth: Für dieses Thema muss eine breitere Mehrheit sensibilisiert werden, damit sich breitere Bevölkerungsschichten damit beschäftigen.
Niels Starke: Aus den Gesprächen des möglichen “Runden Tisches“ ergeben sich sicher Möglichkeiten, wie ggf. schon mit einfachen Mitteln eine Verbesserung zu erzielen.
Christoph Zwickler: Die Frage, ob und inwieweit künstliche elektromagnetische Strahlung schädlich ist, hat inzwischen fast religiösen Charakter. Auf beiden Seiten dominieren mitunter Glaubenssätze, die indes jeweils begründet werden. Feststehen dürfte, dass beispielsweise Handystrahlung dicht am Körper und zumal über längere Zeit hinweg schädlich ist. Davor wird ganz allgemein gewarnt. Ob und inwieweit Gesundheitsschäden darüber hinaus durch künstliche elektromagnetische Strahlung entstehen, wie sich diese möglichen Schäden äußern, wann sie sich äußern und wie die Kausalitäten verlaufen, ist dagegen nicht klar. Es ist ja nicht so, dass man stolpert, hinfällt und sich ein Bein bricht. In diesem Fall ist die Kausalkette klar. Mögliche Ursachen und mögliche Schäden liegen im Fall elektromagnetischer Strahlung aber oft nicht dicht beieinander, was die Aufklärung erschwert.
Dies vorausgeschickt bleibt mir nichts anderes übrig, als jedenfalls festzustellen, dass es – und gar nicht einmal nur ganz wenige – Menschen gibt, die sich als elektrosensibel sehen. Bei diesen Menschen führen nicht nur Handystrahlen nah am Menschen zu körperlichen feststellbaren und zuordenbaren Reaktionen, sondern offenbar auch schon Strahlungen, deren Quelle weiter vom Körper entfernt ist. Das muss ich akzeptieren und berücksichtigen.
Unsere Ordnung gründet in der Aufklärung. Dabei wurde nicht mehr nur eine Masse gesehen, sondern der Mensch wurde als Individuum entdeckt, an dessen Fähigkeit appelliert wurde, auf eigenes Denken zu setzen. Ausfluss dessen ist der Minderheitenschutz, der in jeder westlichen Werteordnung unverrückbar verankert ist. Es kommt danach nicht darauf an, so sein zu müssen wie die breite Masse, sondern individuell auch anders sein zu dürfen, worauf die gesamte Gemeinschaft Rücksicht zu nehmen hat.
Dem Minderheitenschutz unterfallen beispielsweise Menschen mit anderer Hautfarbe als die Mehrheitsgesellschaft, Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen, Menschen, die einer Minderheitenreligion angehören, Menschen mit nicht heterosexueller Orientierung und auch etwa Menschen, die sich als im „falschen“ Geschlecht geboren fühlen. Für all diese Minderheiten gilt, dass sie gerade nicht als mehr oder weniger anerkennenswert eingestuft werden sollen, denn schon das könnte allgemein den Minderheitenschutz unterlaufen.
Vor diesem Hintergrund kann ich nicht so tun, als gebe es keine Elektrosensibilität. Auch Menschen, die sich als elektrosensibel bezeichnen, unterfallen jedenfalls dem Schutz unserer Ordnung. Daraus ergibt sich die Pflicht zur Daseinsvorsorge, auch wenn diese dabei nur einer Minderheit zukommen mag. Im Ergebnis muss sich demnach auch ein Bürgermeister für den Schutz elektrosensibler Menschen einsetzen. Wie dieser Schutz konkret aussieht, ist jeweils zu prüfen. Klar ist aber auch, dass jeweils angemessene Interessenabwägungen erfolgen müssen. Minderheiten können Mehrheiten nicht dominieren, aber auf Minderheiten ist Rücksicht zu nehmen.
4. Frage: Wären Sie offen dafür, in einer öffentlichen Veranstaltung die Bevölkerung über Risiken von Mobilfunkstrahlung aufzuklären und über Möglichkeiten der Strahlungsminimierung zu informieren? Was würden Sie konkret tun?
Antworten zur Frage 4:
Linda Frey: Das sehe ich nicht im Aufgabenbereich der Kommune.
Willi Muth: Ein Infoabend mit einer öffentlichen Einladung der Bevölkerung zur Information zu Ihrer Frage lässt sich leicht organisieren.
Niels Starke: Als BI sind Sie bereits informierend unterwegs, der "Runder Tisch" soll natürlich öffentlich sein.
Christoph Zwickler: Soweit keine menschenverachtenden oder andere verfassungsfeindlichen Thesen vorgetragen werden, sollte ein Bürgermeister in einer offenen Gesellschaft immer offen für Veranstaltungen von lokalen Initiativen sein. Ich halte es grundsätzlich für geboten, sich mit den Dingen inhaltlich auseinanderzusetzen. Das ist der Kern unserer Ordnung, die nicht hierarchiezentriert ist, sondern innerhalb derer sich die Ergebnisse erst aus sachlichen Diskursen ergeben, nicht aus dem Diktat einer Elite.
Diese Auseinandersetzungen müssen geführt werden, natürlich auch vor Ort. All das belebt unser System und schärft die Sensibilität für die Dinge, die uns umgeben und auf die wir Einfluss haben, aber auch dafür, ob bzw. dass diese Dinge möglicherweise auch auf uns Einfluss haben.
Was ich konkret tun würde, weiß ich aktuell nicht. Vorab würde ich mich weiter informieren, ich bin ja kein Naturwissenschaftler. Aber ich habe hoffentlich das Vermögen, mich aus unterschiedlichen Quellen zu informieren und dabei nicht einseitig mir genehme Quellen vorrangig zu berücksichtigen.
5. Frage: Inwieweit würden Sie sich beim Landkreis Darmstadt-Dieburg für eine kabelgebundene Digitalisierung von Schulen einsetzen, anstelle der Installation dauerhaft funkender WLAN-Router in jedem einzelnen Klassenzimmer?
Antworten zur Frage 5:
Linda Frey: Vor allem beim Neubau der Pfaffenbergschule wird sicherlich darauf geachtet werden, dass die gesamte Schule über Netzwerkkabel verfügt, um in jedem Raum kabelgebundenen Internetzugang gewährleisten zu können. Dies ist alleine schon aus Gründen des Stromsparens und der geringeren Problemanfälligkeit von kabelgebundenem Internet sicherzustellen.
Willi Muth: Es geht nur in Zusammenarbeit mit dem Schulträger des Kreises, der die Verantwortung trägt für den Ausbau der Schulen und der digitalen Infrastruktur in den Gebäuden.
Niels Starke: Es werden in den nächsten Jahren Gespräche bezüglich des Neubaus der Schule am Pfaffenberg geführt, hier gibt es sicherlich auch die Möglichkeit dieses Thema anzusprechen. Zuständig ist der Landkreis als Schulträger.
Christoph Zwickler: Die Schulausstattungen sind Sache des Landkreises, die Gemeinde darf dabei nicht mitreden. Als Kreisbeigeordneter habe ich hoffentlich auch ein Gespür dafür, welche Einmischungen in Angelegenheiten des Landkreises ungeschickt sind und welche nicht. Formal sollte ich als Bürgermeister hier nicht tätig werden. Das schließt jedoch nicht aus, dass auch ein Bürgermeister Interesse an diesem Thema haben könnte und Eltern oder auch Vertreter des Landkreises nach deren Auffassung dazu informell fragen kann.
6. Wie möchten Sie sicherstellen, dass Bürger, die kein Handy, Smartphone oder auch sonst keinen Zugang zum Internet haben (z. B. ältere Menschen), trotz fortschreitender Digitalisierung weiterhin am öffentlichen Leben teilhaben können?
Antworten zur Frage 6:
Linda Frey: Alle digitalisierten Dienstleistungen werden noch auf relativ lange Zeit auch analog verfügbar sein müssen, um einen Umstieg zu gewährleisten. Für Menschen ohne Internetzugang wird es immer eine Möglichkeit geben, Dienstleistungen auch analog in Anspruch zu nehmen.
Willi Muth: Unser Auftraggeber der Verwaltung ist unsere Bevölkerung in Mühltal, egal ob Jung oder Alt. Auch bei den fortschreitenden Digitalisierungsprozessen für eine bürgerfreundlichere Verwaltung, die einen persönlichen Besuch im Rathaus nicht mehr erforderlich machen, muss immer noch sichergestellt sein, dass jeder Bürger sein und jede Bürgerin ihr Anliegen noch persönlich mit einem Ansprechpartner in der Verwaltung erledigen kann.
Niels Starke: Die Digitalisierung soll Ergänzung, nicht Ersatz für persönlichen Kontakt sein. Alle Angebote wird es auch weiterhin im Rathaus geben.
Christoph Zwickler: Für die Gemeinde muss gelten, dass sie auch diejenigen als schützenswerte Minderheit begreift, die keinen Zugang zum Internet haben. Sie sollte sich einen Kodex geben, wonach jedes ihrer Angebote auch analog verfügbar sein muss. Damit könnte eine Vorbildfunktion eingenommen werden. Wenn die Gemeinde glaubwürdig die Gesellschaft zusammenhalten will, so kann sie nicht ohne Not faktisch einen Teil der Menschen ausschließen.